AMo7 – Brief an Walter Gropius
Wien, Sonntag, 12. Februar 1911


12. Februar

Lieber

Mit den Plänen war das ein furchtbares Pech, sie wurden erst abgeliefert, als mein schon aus Paris zurück war, – der sie dann sofort wieder weiter nach New York schickte. Ich hoffe nun[,] wird sie direkt an Sie, zur Begutachtung schicken, so dass sie über Berlin wieder zurück an uns kommen[.] Sollte das der Fall sein, so adressieren sie Sie [!] direkt Wollergasse 10, schreiben mir aber bitte darüber A. M. 50.

[Postskriptum:] Im letzten Moment hab ich nun doch die Pläne von nicht mitgeschickt, – mein Mann könnte

[in der Handschrift von , in Bleistift:] Drucksachen Brieftruhe


Mitfolgend ein Seidenpapier mit dem Hochparterre. – Es ist einen Meter aus der Erde unten gewölbt. – Unter[halb] Küche, Diener[,] Vorzimmer, ist Waschküche[,] Kohlen- und Kühlkeller, – ober[halb] Wohn-[,] Speisezimmer und Kind und Diener[-] und Fremdenzimmer, auch ein kleines Studio, wenn sich zurückziehen und arbeiten will. – Das Haus hat ein hohes[,] sehr breites[,] tief heruntergehendes rothes Ziegeldach, für die dortige Gegend, wo solche Schneemassen sind, direkt notwendig. –


Veranden oder Terrassen kann man ja machen, wo man will, – vom Speisezimmer aus oder Wohnzimmer – . Die Rax- und Schneebergaussicht hat man von Wohn- und Speisezimmer, – – ließ sich vom dortigen Architekten einen Plan machen, der einige grosse Fehler hat, – z. B[.] dunkle Corridore, – dann ist das Haus vielleicht ganz reizvoll als Cottagehaus[,] aber nicht als ein einsam hoch im Gebirg stehendes Gehöft. – Ich schicke Ihnen die zwei Pläne 1. und 2t[er] Stock, bitte Sie aber, sie mir umgehend retour zu senden – A. M. 50. – das müsste aber unter ein paar Tagen sein[,] damit sie meinem nicht abgehen. – Ich bin neugierig, was Sie dazu sagen[.]


Ueber ihre Gesundheit schreibt nichts, ich nehme das als gutes Zeichen.

Leider komme ich dieses Jahr nicht hinüber, – mein Mann würde so sehr unter meinem Fortsein leiden, dass ich ihm das Opfer bringe und nicht reise, – zum Glück dauert es nicht mehr lange. Ich hoffe[,] sie schiffen sich am 21[.] März ein, sind also noch Ende März in Europa. Wenn dann unter Leitung irgendwo die gemacht wird, fahren wir unbedingt hin, – es war die Rede von Mannheim oder Paris – das wäre wunderbar! – Wie geht es Ihnen, schreibt fleissig? – Haben Sie viele interressante [!] Arbeiten? – Bitte recht bald um Nachricht und umgehend um die Pläne. –

Ihre Getreue

Mama

[rechter Rand Fortsetzung des Postskriptums:] sie gerade in der Zeit zeigen wollen und ich wäre dann in grosser Verlegenheit.


Apparat

Überlieferung

, , , .

Quellenbeschreibung

1 DBl. (4 b. S.) – Briefpapier.

Beilagen

Entwurf von für das Sommerhaus der Familie Mahler auf dem Semmering, von auf Seidenpapier durchgepaust, , – Beschriftung von links oben gegen den Uhrzeigersinn mit falscher Angabe der Himmelsrichtungen: Kind, Gouvernante, dreimal Wandk[kästen], Wohnen, Speisezimmer, für Kammer eine Spindtür unten, Eingang, Diener, Speise, Küche, Kastanie, Hof, Herr, Bad, Bad, Wandkästen, Frau.

Druck

Erstveröffentlichung.

Korrespondenzstellen

Beantwortet durch WG120 vom frühestens 13. Februar 1911 (Ich halte ein tief heruntergehendes großes Dach gerade für die größte Angriffsfläche für Schnee): Das Haus hat ein hohes sehr breites tief heruntergehendes rothes Ziegeldach, für die dortige Gegend, wo solche Schneemassen sind, direkt notwendig.

Datierung

Schreibdatum: „1911“ (fremdschr. Datierungsversuch nach Übergabe an , ).

Datiert durch : 12. Februar. Jahr 1911 aus Briefinhalt erschlossen.

Übertragung/Mitarbeit


(Jannik Franz)
(Tim Reichert)


A

Plänen – s. Themenkommentar: Haus Mahler.

B

Wollergasse 10 – seit 1903 Wohnsitz der Familie Moll im 19. Wiener Gemeindebezirk.

C

A. M. 50. – s. WG72 vom 13. September 1910: AM 50 Kär[n]tnerring 3.

D

Pläne von Almschi – Gemeint waren die Pläne des 1. und 2[en] Stock[s] der amerikanischen Architekten, die heute nicht mehr erhalten sind.

E

Seidenpapier mit dem Hochparterre – s. Beilage. Im Folgenden beschrieb auch die Räume unterhalb der Küche im Keller und oberhalb des Wohnraumes unter dem Dach, die auf dem mitgeschickten Plan nicht eingezeichnet wurden. Obwohl schrieb, dass sie diesem vorliegenden Brief keinen Plan beigelegt hat, existiert im ein Plan, der genau der Beschreibung entspricht, s. Reaktion in WG120 vom frühestens 13. Februar 1911.

F

arbeiten – komponieren, s. Themenkommentar: Alma Mahlers publizierte Lieder.

G

Rax – Bergmassiv der nördlichen Kalkalpen, etwa neun Kilometer nordwestlich von Breitenstein am Semmering.

H

dortigen Architekten – in den USA.

I

Leider komme ich dieses Jahr nicht hinüber – Besuch bei in den USA.

J

VIIIte [Symphonie] […] es war die Rede von […] Paris – Bestätigt durch einen Brief von an den Direktor des Musikverlags Universal-Edition in Wien, , vom Februar 1911: „Im April dirigiere ich in Paris und im Mai bin ich in Wien“ ( Nr. 464, S. 429). Siehe Themenkommentar: Die Uraufführung der Achten Symphonie von Gustav Mahler.